Die Leichtwindtage sind vorbei

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Krängung

Der Wind hat uns inzwischen wieder gefunden. In geballter Kraft – die letzten Tage war eindeutig ausreichend Wind zum Vorwärtskommen. Nur an der Richtung könnte noch gearbeitet werden. Selber Steuern ist wieder angesagt.

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Koiguste: nach dem Anstrich sieht das Reitgewicht aus wie aus Plastik

In Koiguste sind wir zwei Nächte geblieben. In Ruhe haben wir uns um unser Boot gekümmert. Poliert, Anker in Betrieb genommen, Ankerleine mit Takelingen markiert, Reitgewicht lackiert – kurz wir waren fleißig. Am zweiten Abend kamen noch 2 Yachten. Beide legten sich vor Anker. Die Seasick Luzie hatten wir bereits in Kuressaare getroffen. Leider hat es zum abendlichen Bier im Cockpit in Kuressaare nicht mehr gereicht. Das wollten wir Koiguste nachholen. Natha und Timo pumpten auch kurz nach dem Anker setzen eifrig ihr Dinghi auf. Aber irgendwie kamen und kamen sie nicht zu uns rüber. Wir waren schon leicht irritiert, als das Telefon bimmelte. SMS – sie können ihre Paddel nicht finden, suchen schon seit 1,5 Stunden. Ende vom Lied – manchmal ist einfach der Wurm drin und es soll nicht sein. Aber die Ostsee ist noch groß, vielleicht klappt es ja woanders!

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Koiguste: Henning näht Taklinge

Von Koiguste sind wir nach Kuivastu gesegelt. Auf dem Weg haben wir bei einem Kontrollblick aufs AIS gesehen, dass sich die andere der beiden Yachten auf einer Untiefe befindet und keine Fahrt macht. Während wir diskutierten ob, und wenn ja, was wir tun sollen, hörten wir Tallinn Rescue Radio auf dem Funkkanal 16 nach der Yacht rufen. Anscheinend war auch Tallinn Rescue Radio das seltsame Verhalten aufgefallen und die fragten einfach mal nach, ob alles in Ordnung sei. Die Yacht hatte sich tatsächlich festgefahren. Zunächst versuchte sie selbstständig freizukommen, aber 20min später bat sie dann doch um Schlepphilfe. Kurz bevor das Rettungsboot da war, kam sie aber noch aus eigener Kraft frei.

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Kuivastu: Fährenanleger direkt nebenan

Nach Einsamkeit, Ruhe und Natur pur in Koiguste, war Kuivastu eher ein Schock. Dort landet alle 30min eine Fähre zur Überfahrt nach Virtsu an. Die LKWs warten teilweise mit laufendem Motor und der Yachthafen ist direkt neben der Anlegestelle für die Fähre. Mit der Ruhe war es da nicht weit her. Abgesehen davon war dort in fußläufiger Distanz trotzdem nichts los. Wir wollten gerade ins Bett gehen, da legte die Segelyacht Hanan neben uns an. Wir hatten die Leinen angenommen und Eigner Uwe, ebenfalls auf Ostseerunde, lud uns auf ein Bier an Bord ein. Aus einem wurden mehrere und aus dem zu frühen Zubettgehen wurde nichts.

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Kuivastu: das Hafenbecken ist immerhin geschützt

In Kuivastu hielt uns nichts. Also ging es am nächsten Morgen weiter. Bei perfektem Wind setzten wir die Segel in Schmetterlingsformation. Obwohl teilweise in Böen bis zu 20kn Wind waren, konnten wir durch den Vorwindkurs unter Vollzeug laufen und kamen entsprechend gut gelaunt gegen Abend in Dirhami an.

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Autopilot steuert

Am nächsten Tag war das Verwöhnprogramm vorbei. Es ging genau gegenan. Und auf einem Amwindkurs verlangen schon 16kn Wind bei unserer Asgard definitiv nach einem Reff. Wir haben beim Segelsetzen das Groß direkt im ersten Reff gelassen und kurz danach das zweite Reff eingebunden. Die Genua haben wir auch stückweise verkleinert. Im Laufe des Tages frischte der Wind immer weiter auf. Zum Ende hin hatten wir das Groß komplett herunter genommen und die Genua zu einem schmalen Handtuch weggerollt. Mit so wenig Fläche steht sie wirklich bescheiden. Vernünftig Kreuzen geht dann nicht mehr. Mehr Fläche geht aber auch nicht, weil die Asgard dann einfach extrem viel Krängung macht.

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Rettungsweste, angeleint und gesichert

Irgendwann haben wir deshalb den Motor zu Hilfe genommen, damit wir überhaupt noch ankommen. Morgens im Hafen hatten wir noch mit Tallinn geliebäugelt, draußen auf See wurde uns schnell klar, dass das heute nichts wird. Lohusalu war somit das Ziel der Wahl. Für niedliche 28sm direkte Strecke von Dirhami nach Lohusalu haben wir gute 11 Stunden – ohne Mittagspause – und 65sm durchs Wasser gebraucht. Dabei haben wir einen Kaffeebecher zerstört und Kaffee im kompletten Salon verteilt.

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Lohusalu: idyllische Bucht neben dem Hafen

Von Lohusalu ging es dann extrem früh unter Motor weiter nach Tallinn. Der Wind kam wieder genau von vorne und nach der Erfahrung von gestern wollten wir auf das Gekreuze auf dem schmalen Strich zwischen Land und Fähren-Autobahn verzichten.