Rückfahrt. Das hört sich fies an. Dabei haben wir noch fast die Hälfte der Zeit vor uns. Sollen wir doch noch ein paar Tage länger in den Schären bleiben? Auf ein späteres Wetterfenster hoffen? Noch einmal Schärenankern gehen?
Wir entscheiden uns für die Überfahrt. Es fühlt sich richtig an, jetzt schon zurück zu fahren. Das Wetterfenster ist nicht perfekt. Wir motoren die Strecke bis Skagen komplett. Nach Tagen des Starkwinds herrscht jetzt Flaute. Die hohen Wellen haben sich zu einer langen Dünung abgebaut. Aber lieber bei keinem Wind motoren als bei 6-7 Beaufort gegenan zu müssen, weil uns die Zeit ausgeht.
Nachdem die Entscheidung getroffen ist, sind wir zufrieden. Die Überfahrt ist entspannend. Wir müssen nicht ständig auf Fahrwasser, Tonnen und Steine achten. Wir müssen nicht die ganze Zeit die hübschen Ufer und Inselchen bestaunen. Wir können einfach den Autopilot steuern lassen, ab und zu nach Fischerfähnchen und anderen Booten Ausschau halten und entspannen. Janne liest viel, Henning übt sich weiter im Spleißen.
Kurz vor Skagen queren wir die Fahrwasser der großen Tanker. Ohne große Kursänderungen können wir zwischen den Schiffen durchschlüpfen. Es sind eher wenige Schiffe unterwegs. Irritiert sehen wir auf dem AIS wo der Rest abgeblieben ist. Die liegen alle vor Skagen vor Anker. Auf dem AIS sieht es wie ein riesiger Schiffsparkplatz aus.
Der Hafen von Skagen erinnert an die Häfen im Baltikum: industriell, lieblos. Hier aber gepaart mit skandinavischem Charme und Nähe zur Stadt. Die Fußgänger spazieren über die Stege und betrachten die Boote. Dadurch ergibt sich eine ganz eigene Stimmung.
Es liegen winzige Fischerbötchen und riesige Industriefischerschiffe im Fischereihafen. Wir wollen uns vor Heckanker an den Steg im Gästehafen legen. Uns erreichen die Nachwehen aus Schweden: Der Anker hält nicht einmal ansatzweise. Wir probieren es gar nicht erst ein zweites Mal sondern gehen bei einer schwedischen Yacht ins Päckchen.
An Land gibt es frischen Fisch. Nach langen Überlegungen entscheiden wir uns für Seeteufel, Knurrhahn und Steinbutt. Dann leihen wir uns Fahrräder. Wir fahren zu der Touristenattraktion Skagens schlechthin. Zusammen mit unzähligen anderen Touristen stehen wir am Treffpunkt von Nordsee und Ostsee. Waten mit den Füßen im kalten Wasser umher und beobachten wie sich die Wellen von Nord- und Ostsee entgegenschwappen.
Am nächsten Tag soll der Wind mittags von Ost auf Süd drehen. Da wir nach Süden wollen, entscheiden wir uns für einen kurzen Tag. Wir nutzen den Ostwind um uns bis nach Hirsholmen zu verholen. Es wird ein knackiges Segeln hoch am Wind mit ordentlich Welle. Für wenige Meilen macht das richtig Spaß. Aber viel weiter als Hirsholmen hätten wir das nicht gebraucht.
Pünktlich mit unserer Ankunft hat der Wind auf Süd gedreht. Am Gästesteg macht man eigentlich mit Heckanker fest. Nach den schlechten Erfahrungen der letzten Tage gehen wir längsseits. Der Wind hätte sonst voll auf die Breitseite der Asgard gedrückt. Die denkbar schlechteste Belastungsrichtung für einen Anker. Bisher ist in Hirsholmen auch noch nichts los. Und wir können mit dem Bug im Wind liegen.
Die Insel ist total schön. Die Wege durch die Natur sind in die Wiesen gemäht. Der Leuchtturm ist ein markantes Wahrzeichen. Die Häuser strahlen Gemütlichkeit aus. Auf den beiden Friedhöfen sehen wir, wie lange die Insel schon bewohnt ist. Nur Einwohner sehen wir kaum. Die scheinen sehr scheu zu sein, haben uns aber genau im Blick.
Wir genießen den ruhigen Tag. Und planen für die nächsten Tage. Grenå schaffen wir nicht an einem Tag, die Strecke ist zu weit. Aber eine gute Tagesetappe entfernt gibt es eine schöne Ankermöglichkeit. Sie liegt zwischen zwei Sandbänken mit Blick auf das offene Meer. Die möchte Janne unbedingt ausprobieren. Trotz unser Ankerschwierigkeiten der letzten Tage.
Wir segeln von Hirsholmen zum dänischen Festland. Es wird ein traumhafter Segeltag. An unserem Ziel angekommen, liegen dort bereits ein paar Boote. Wir werten das als gutes Zeichen. Dort muss man gut ankern können. Die Einfahrt zwischen den Sandbänken ist flach und unbetonnt. Wir suchen uns eine passende Stelle aus, werfen den Anker und fahren ihn ein. Diesmal hält er auf Anhieb. Wir programmieren sicherheitshalber noch unsere Alarme (Windalarm, Tiefenalarm, GPS-Abstandsalarm) und entspannen dann.
Der Blick auf das offene Meer ist wunderschön. Es ist das erste Mal, dass wir nicht in einer geschützten Bucht ankern und eine so freie Aussicht haben. Der Wind frischt gut auf. Trotzdem fühlen wir uns sicher und genießen den Abend ausgiebig. Das Aufbrisen war vorhergesagt und überrascht uns somit nicht.
Es geht weiter nach Grenå. Zunächst können wir gut segeln. Erst unter Fock, dann mit Gennaker. Irgendwann ist der Wind alle und wir motoren. Die See wird immer ruhiger bis sie fast spiegelglatt da liegt. Wir sehen mehrfach Schweinswale. Bestimmt 6-7 Mal. Und das waren bestimmt nicht alle, die unseren Weg gekreuzt haben. Durch das glatte Wasser können wir sie auch in weiterer Entfernung erkennen. Jedes Mal wenn sie auftauchen breiten sich auf dem Wasser Kreise aus. Zuerst fotografiert Janne immer nur Wasser. Aber irgendwann bekommt sie zumindest eine Rückenflosse mit aufs Bild.
In Grenå ist tote Hose. Bereits in Skagen war der Hafen nicht so voll wie befürchtet. In Grenå ist es streckenweise richtig leer. Die Hauptsaison scheint hier oben vorbei zu sein. Die Segelboote sind wieder auf dem Weg in den Süden. Es beschleicht uns ein Gefühl von Abschied.
Es riecht sogar nach Abschied. Müffelt leicht modrig. Immer wieder ziehen überlriechende Geruchsschwaden an uns vorbei. Wir sitzen trotzdem im Cockpit und diskutieren wie es weitergehen soll. Wir stehen vor der Entscheidung von Grenå durch den großen Belt direkt zurück nach Kiel zu segeln oder über Kopenhagen zu fahren.
Wir konnten in Norddänemark einige weißen Flecken auf der norddänischen Landkarte tilgen. Uns hat es gefallen. Die Entscheidung für die Überfahrt von Westschweden nach Dänemark war eine gute Idee. Auch der Zeitpunkt war der richtige. Jetzt heißt es sich zu entscheiden zwischen Kopenhagen und Kiel. Direkte Rückreise oder noch einen Schlenker segeln.