Auszeiten

Wann segel ich um die Ostsee? Die Frage beschäftigt viele Segler und allzu häufig lautet die Antwort: später irgendwann. Oder konkret: in der Rente. Dabei ist das nur eine Möglichkeit von vielen.

Es gibt verschiedenste Formen der Auszeiten. Auch die Segler, die wir unterwegs getroffen haben, hatten die unterschiedlichsten Varianten gewählt. Die gängigsten haben wir als Übersicht hier zusammen gefasst.

Vor dem Berufsleben

Die Auszeit nach der Schule. Zu unserer Zeit gab es für die Männer noch Bundeswehr und Zivildienst, für die Frauen das freiwillige soziale Jahr. Inzwischen ist die Wehrpflicht abgeschafft. Henning ist beim Bund nicht eingezogen worden und ist stattdessen für ein Jahr nach Australien für Work+Travel gegangen. Aber für die Ostseeumsegelung muss es ja gar kein ganzes Jahr sein. Das Abitur ist deutlich vor den Sommerferien durch und die Uni beginnt meist erst im Oktober. Somit verliert man keine Zeit und hat trotzdem drei bis vier Monate, vielleicht sogar mehr, für eine Ostseeumsegelung. Für das in manchen Studiengänge vorgeschriebene Vorpraktikum findet sich auch fast immer eine Lösung. Soll es kein Studium sondern eine Ausbildung sein, ist der Zeitraum eventuell etwas kürzer, aber meistens bleibt zwischen Abschlussprüfung und Ausbildungsbeginn ebenfalls noch etwas Zeit.

Semesterferien/vorlesungsfreie Zeit oder Urlaubssemester im Studium. Während des Studiums gibt es immer wieder vorlesungsfreie Zeiten, meistens liegen jedoch da die Prüfungszeiträume, sodass nicht viel freie Zeit bleibt. Anders sieht es jedoch aus, wenn man ein Praxissemester oder Praktikum absolviert. Wenn man es richtig anstellt, bleiben einem einige Monate bis zum neuen Semesterbeginn. Genug Zeit für zumindest eine kleine Ostseeumsegelung. Oder man nutzt ein Urlaubssemester. Das Auslandssemester an einer fremden Uni wird schließlich ebenfalls selten vollständig anerkannt.

Nach dem Studium und vor dem Berufseinstieg. Gerade wenn man das Unternehmen bereits von Praktikum, Abschlussarbeit oder Volontariat her kennt, lässt sich vielleicht ein späterer Einstieg verhandeln. Oder man entscheidet sich bewusst dafür die Bewerbungen auf den Zeitraum nach der Ostseeumsegelung zu verlegen.

Im Berufsleben

Die Elternzeit. Sie wird inzwischen häufig hergenommen für Reisen. Sie eignet sich durchaus auch für eine Ostseeumsegelung. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass man aktuell insgesamt 3 Jahre Elternzeit nehmen und davon bis zu 2 Jahre auf die Zeit zwischen dem zweiten und achten Geburtstag schieben kann.

Zwischen zwei Jobs. Will man den Job, die Aufgabe wechseln oder läuft der befristete Vertrag aus, ergeben sich manchmal Zeitfenster. Oder wenn man eine Praxis oder Firma übernimmt. Insbesondere wenn der Betrieb bereits in der Familie ist – gerade da lässt sich ein individueller Beginn häufig vereinbaren.

Das Sabbatical. Gibt es beim eigenen Arbeitgeber bereits ein genaues Programm ist das Vorgehen einfach. Meistens ist es mit dem Chef abzustimmen und der Rest folgt dann den vorgegebenen Prozessen. So war es bei uns. Hat etwas Überzeugungsarbeit bei den Chefs gekostet und dann wunderbar geklappt. Ist man hingegen der Präzedenzfall beziehungsweise benötigt man eine individuelle Regelung wird der Abstimmungsaufwand häufig größer. Teilweise sehen es die Arbeitgeber positiv und wollen sich als moderner Arbeitgeber präsentieren. Teilweise haben sie Angst, dass dann plötzlich alle ein Sabbatical nehmen wollen. Da hilft nur mit den Zuständigen reden und eine für beide Seiten sinnvolle Lösung finden. Insbesondere in Zeiten, wo Kurzarbeit und Entlassungen an der Tagesordnung sind, ist der Arbeitgeber vielleicht sogar ganz froh, wenn man für eine begrenzte Zeit aussteigt und somit keine Gehaltskosten verursacht, aber später die Expertise und das Fachwissen wieder verfügbar ist.

Als Unternehmer. Auch diese Variante haben wir unterwegs getroffen. Die eigene Firma im Frühling frisch verkauft, der Arbeitsbeginn an anderer Stelle erst im Herbst. Da blieb genügend Zeit für eine Ostseeumsegelung.

Die Selbstständigkeit. Auch Selbstständige haben wir kennengelernt. Wir waren überrascht, dass eine Auszeit in der Selbstständigkeit möglich ist. Aber durch geschickte Planung der Projektannahmen ließ sich eine ausreichend große Pause zwischen verschiedenen Projekten realisieren.

Individuelle Arbeitgeberabsprachen. Manchmal ergeben sich Optionen wie Wiedereinstiegsklauseln. Oder wenn es kein Sabbaticalprogramm gibt, dann vielleicht die Möglichkeit eines unbezahlten Urlaubs? Oder die über die Jahre angesammelten unzähligen Überstunden lassen sich am Stück abbauen? Kombiniert mit dem Jahresurlaub ergeben sich da je nach Wochenstundenzahl durchaus einige freie Wochen. Vielleicht reicht es in Summe zumindest für eine kleine Ostseeumsegelung?

Kündigung. Möchte man die Reise unbedingt machen, der Arbeitgeber will aber partout keinem Lösungsvorschlag zustimmen, bleiben nur Kündigung oder Verschieben des Traums Ostseeumsegelung auf die Rente (oder einen anderen Arbeitgeber). Eine Kündigung erfordert Mut. Aber es gibt sie. Diejenigen, die ihren festen, unbefristeten Angestelltenjob für ihren Traum kündigen, die Leinen los werfen und sich der Konsequenzen bewusst sind. Manchmal landen sie danach wieder im selben Job, manchmal müssen sie auch nach einem neuen Job suchen und sind vielleicht sogar erstmal arbeitslos.

Unterwegs arbeiten. Wir haben keinen einzigen Segler getroffen, der unterwegs im großen Stil gearbeitet hat. Das eine oder andere Telefonat in die Firma, da gab es schon welche, insbesondere bei den Unternehmern. Aber eher um Dinge zu klären, nicht um Geld zu verdienen. Artikel für eine Zeitschrift schreiben, Videos drehen, auch das gab es. Aber das Segelboot als (Home-)Office haben wir nicht gesehen.

Nach dem Berufsleben

In der Rente – ja auch die gibt es, jedoch deutlich weniger als wir gedacht hätten. Teilweise allein, weil sich der Partner in dem Alter nicht mehr aufs Schiff traute und ganz besonders nicht auf eine so große Reise. Oder weil die Enkelkinder zuhause warten und die Großeltern (meistens Oma) brauchen. Je älter man wird, desto größer ist das Risiko, dass die ganze Reise beschwerlicher ausfällt als gedacht und mehr Komfort benötigt wird als in jungen Jahren. Der Kompromiss heißt vorgezogener Ruhestand. Vor 67 aus dem Unternehmen ausgeschieden, Praxis aufgelöst, Geschäft an den Nachfolger übergeben, es gibt verschiedene Optionen früher aus dem Arbeitsleben auszuscheiden und loszusegeln.

Und der Partner?

Ich segel nächsten Sommer um die Ostsee – kommst Du mit? Wer die Ostsee nicht gerade einhand umsegeln möchte hat zwei Möglichkeiten. Wechselnde Gäste an Bord oder einen Partner-in-crime finden. Dabei ist letzterer meist die Lebenspartnerin oder der beste Kumpel. Das heißt in den meisten Fällen aber auch, es muss nicht nur eine Auszeit genehmigt werden sondern gleich zwei. Diese am besten dann noch so koordiniert, dass sie auch zeitgleich starten und enden. Unsere Erfahrung ist, dass das häufig funktioniert. Ist eine Auszeit schon genehmigt, verstehen die meisten Arbeitgeber, warum die eigene Auszeit nicht noch ein oder mehrere Jahre nach hinten verschoben werden kann. Fragen kostet nichts – das trifft auch hier in den allermeisten Fällen zu. Wir haben verschiedene Freunde, wo sich bei einem die Gelegenheit ergeben hat, beim anderen aber erst durch konkretes Nachfragen. Erstaunlich was da an verschiedenen Stellen möglich war, wo man es gar nicht erwartet hat. Und erstaunlich wie hartnäckig und ausdauernd einige Freunde leider sein mussten. Teilweise waren sie am Ende sogar so konsequent, dass sie nach Androhung der Kündigung auch gekündigt haben. Soweit wir es mitbekommen haben, hat sich am Ende immer eine für alle zufriedenstellende Lösung gefunden.

Fazit

Aufgeschoben ist nicht immer Aufgehoben. Bei der Ostseeumsegelung häufig leider doch. Es finden sich genügend Ausreden warum es gerade nicht geht. Und in den allermeisten Fällen trifft es zu, dass man die Sachen bereut, die man nicht getan hat und nicht diejenigen, die man getan hat. Meistens hilft es das Gespräch zu suchen, leider nicht immer. Es hilft flexibel zu sein und gemeinsam eine Lösung zu finden, die für beide Seiten passt. Wenn man wirklich will, findet sich ein Weg. Nicht immer zum gewünschten Zeitpunkt, nicht immer in der gewünschten Form, aber es klappt. Manchmal muss man einfach nur einen langen Atem haben und den Traum nicht aufgeben.