Warnemünde ist weg

Wir sind wieder unterwegs. Gute zweieinhalb Wochen haben wir Zeit. Lange Zeit war das Ziel offen, entweder segeln wir Richtung Osten oder nach Westen. Nach Bornholm oder auf die Nordsee. Am Ende gewinnt Bornholm. Es geht also gen Osten.

Asgard wird eingeräumt
Großenbrode: Einräumen und Ausräumen

Proviant ist eingekauft, Seekarten und Hafenhandbuch sind in letzter Minute besorgt und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat Janne noch eine neue Baumpersenning genäht und ein Schwarzbrot gebacken. Dann geht es los nach Großenbrode. Gegen Mitternacht sind wir am Schiff angekommen. Wir verstauen noch eine Stunde lang unsere Lebensmittel und Klamotten, bevor wir müde in die Koje fallen.

Janne im Regenschauer
Barfuß in Wetterkleidung

Am nächsten Morgen geht es früh aus den Federn. Wir räumen alles Überflüssige von Bord, kaufen die letzten Kleinigkeiten ein, holen das reparierte Großsegel vom Segelmacher und kochen Kaffee. Wir werfen die Leinen los und lassen Großenbrode hinter uns.

Abendstimmung in Warnemünde
Warnemünde im Wolkenkleid

Erst peilen wir Klintholm an, dann reduzieren wir die Strecke auf Gedser, aber der Wind kommt nicht ansatzweise aus der angesagten Richtung und wir segeln spontan nach Kühlungborn. Das können wir gerade so anlegen. Aber der Wind wird immer weniger, nur um kurz vor Kühlungsborn zu drehen und aufzufrischen. Plötzlich kommt er aus der entgegegengesetzten Richtung und wir lassen uns kurzerhand weiter nach Warnemünde schieben. Warnemünde ist schon längst in Sicht, da holt uns ein Regenschauer ein. Erst verschwimmen die Konturen an Land, dann wird alles grau und Warnemünde ist weg.

Düstere Abendstimmung in Warnemünde
Warnemünde: Wolkenschauspiel

Der alte Strom und der Yachthafen sind voll. Statt uns ins Päckchen zu quetschen, verholen wir uns nach Hohe Düne. Es ist bereits 21 Uhr. Es gibt noch ein Chili con carne bevor wir in die Koje hüpfen. Morgen liegt eine lange Strecke vor uns. Das heißt noch früher aufstehen. Egal. Wir sind wieder unterwegs. Das allein zählt.

Rückblick: Frühlingstörn

Wir hatten seid letzten August keinen richtigen Erholungsurlaub mehr. Umso mehr haben wir die zwei Wochen Frühlingssegeln genossen. Wir waren wenig Entdeckungsfreudig, saßen viel im Cockpit, haben Ruhe, Meer und Sonne genossen und einfach mal abgeschaltet. Wir sind lange aufgeblieben, haben der Sonne beim Untergehen zugesehen, die langen Abende voll ausgekostet.

Nysted: Schaukelwippe

Wir hatten konstant nur Ostwind. Top Wetter und fast ausschließlich Sonnenschein. Unser Deck ist nur an zwei Tagen kurz von oben nass geworden. Der Ostwind hatte den unglaublichen Vorteil, dass wir abends Sonne im windgeschütztem Cockpit hatten mit direktem Blick auf den Sonnenuntergang. Die Sonne ging bei vielen Häfen im Meer unter. Tagsüber war es richtig warm. Abends wurde es dann doch frisch, es ist eben erst Mai.

Frau am Steuer

Der Nachteil vom konstanten Ostwind mit 5Bft war, dass Bornholm für uns zu weit weg lag. Gegenan kreuzen macht bei der Windstärke einfach keinen Spaß. Also sind wir in bekannten Gewässern geblieben und haben unbekannte Orte besucht. Genau aus diesem Gedanken heraus haben wir bei unserer Ostseeumsegelung zu Beginn ziemlich viel ausgelassen und sind zügig in weiter entfernte Gebiete gesegelt. Diese Strategie hat sich für uns ausgezahlt. So langsam werden die weißen Flecken auf unserer persönlichen Ostseekarte weniger. Aber es gibt noch genügend neues im zwei bis drei Wochen Radius der deutschen Ostseeküste zu entdecken.

Sonne und Meer

Dieses Jahr wird alles anders. Dachten wir uns so. Die Kombination aus Kranen und Frühlingstörn in einem Abwasch gefällt uns. Das behalten wir bei. Eine weitere Erkenntnis: Zwei Wochen sind definitiv besser als eine, aber nicht so gut wie drei. Und da nach dem Segeltörn auch vor dem Segeltörn ist, freuen wir uns schon jetzt auf die drei Wochen Sommerurlaub.

Klintholm: Strandläufer

Alte Bekannte und neue Orte

Nysted steht als Törnziel an. Da waren wir schon mal. Ganz am Anfang unserer Ostseeumsegelung, am dritten Abend. Ein süßer kleiner Hafenort. Janne will da unbedingt nochmal hin und freut sich schon riesig drauf. Innen rum oder außen rum ist die spannende Frage. Wir entscheiden uns bei Traumwetter mit viel Wind von achtern für außen rum. Enge Fahrwasser sind da ziemliche Nervenkitzel. Wir haben heute lieber Platz beim Segeln.

Unterwegs

Zu Beginn sind die Wellen noch moderat. Der Autopilot kommt gut zurecht. Je weiter wir uns von Klintholm entfernen, desto höher werde die Wellen. Irgendwann streikt unser Autopilot. Wir rauschen über die Ostsee. Zuerst unter Vollzeugs. Irgendwann nur noch unter Groß. Der Wind dreht immer weiter auf. Bei Gedser biegen wir rechts ab. Plötzlich sind die Wellen weg. Wir können fast bis zu den Gästeplatzdalben in Nysted durchsegeln. Wenige Meter vorm Hafen macht uns der Wind einen Strich durch die Rechnung. Plötzlich kommt er von vorn. In dem engen Fahrwasser von Nysted ist an Kreuzen nicht zu denken und wir werfen den Diesel an.

Unter Segeln bis nach Nysted
Unter Segeln bis nach Nysted

In Nysted Havn wurde erst heute ein hölzerner Schaukelstuhl aufgestellt. Wir nehmen ihn direkt in Beschlag. Dazu je vier Kugeln dänisches Eis. Bestes Sommerwetter mit schönstem Sonneschein. Uns geht es richtig gut. Der Grill wird angeworfen. Die Sonne geht hinterm Schloss unter. Asgard schaukelt im Wind. Segeln kann so schön sein.

Nysted: Partnerschaukel

Am nächsten Morgen sind wir die letzten der wenige Gästelieger, die ablegen. Wir motoren aus dem engen Fahrwasser heraus und nehmen Kurs auf Deutschland. Wieder kommt der Wind aus der perfekten Richtung und wieder können wir Asgard einfach laufen lassen. Die Windvorhersage für Donnerstag hat sich deutlich abgemildert, der Wind soll nicht anders als die vorangegangenen Tage sein. Wir laufen Kühlungsborn an. Schon vom Meer aus sehen wir riesige Rauchschwaden, die von Rostock aus herüberwehen. Dort brennt es im Gewerbegebiet bei einer Recyclingsfirma. Der Brand ist so groß, dass die Rauchschwaden auch hinter Kühlungsborn noch deutlich sichtbar sind und ein schwarzer Streifen sich quer über den Himmel zieht. Wir finden ganz hinten im Hafen einen fast leeren Bereich mit Blick Richtung Sonnenuntergang. Es ist unser letzter Abend unterwegs. Wir sind traurig, dass die Zeit schon wieder vorbei ist.

Kühlungsborn: Rauchfahne aus Rostock

Dann heißt es richtig früh aufstehen. Sogar noch vor dem Wind. Bevor wir Asgard alleine lassen, wollen wir noch ein paar Dinge erledigen. Unter anderem unseren Motor in Ordnung bringen. Das Problem haben wir bereits gefunden – der Impeller ist hin. Ersatz haben wir an Bord. Und siehe da, er läuft wieder qualmfrei und fördert auch wieder genügend Wasser. Wir verholen uns in unseren Heimathafen für diese Saison. Das Großsegel geben wir noch beim Segelmacher ab. Die unterste Lattentasche hat einen Riss bekommen und die Latte rutscht immer wieder raus. Bis zum nächsten Törn wird es geflickt.

Kühlungsborn: Wellenhüpfer

Wir machen klar Schiff, packen unsere sieben Sachen und dann heißt es „Tschüss, Asgard. Bis bald“. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal.

Viel Wind, wenig Wind, kein Wind

Wir machen uns langsam auf den Rückweg. Wind und Wetter lassen uns kurze Schläge ins Visier nehmen. Gleichzeitig mahnen sie zur Eile. Für Donnerstag ist viel Wind angesagt. Sehr viel Wind. So viel Wind, dass wir ganz sicher nicht segeln werden. Das kann sich zwar immer noch verschieben, aber wir planen lieber einen Tag Puffer ein.

Rødvig: Fischereischifffahrt

Von Flakfortet geht es Richtung Süden. Geplantes Tagesziel: Nyord oder Rødvig. Die Überfahrt beginnt harmlos mit sehr wenig Wind. Dann kommen aus dem nichts lange große Wellen. Zu viele um von einem Schiff verursacht zu sein. Zu hohe für den wenigen Wind. Der brist immer weiter auf. Und plötzlich sind es statt 2kn Wind deutlich über 20kn. Die verursachen in der Køge-Bucht richtig Seegang. Die Höhe erinnert uns an unsere Zeit im Baltikum.

Rødvig: Fischereizubehör

Damit ist die Entscheidung für Rødvig gefallen. Bei dem Wellengang trauen wir dem flachen Bøgestrøm nicht. In der Faxe-Bucht haben wir die Wellen zunächst von achtern. Zum Großsegel bergen gehen wir in den Wind und haben die kurze, steile Welle frontal von vorn. Asgard taucht immer wieder mit ihrem Bug in die Wellenberge ein. Das Bergen des Groß dauert gefühlt eine halbe Ewigkeit. Henning torkelt auf dem Deck um her. Asgard lässt sich kaum im Wind halten. Als wir fest vertäut im Hafen liegen, schnaufen wir erstmal durch. Trotz Kaimauer, trotz Bug im Wind, trotz Windschutz durch die hochbordige 40ft Yacht neben uns tanzt Asgard wild herum und zerrt an ihren Leinen.

Rødvig: Brandung

Wir setzen uns an den Steinstrand und beobachten die Brandung. Vom Land aus sieht sie nicht annähernd so beeindruckend aus wie noch kurz zuvor auf dem Wasser. Die Möwen nutzen den Wind und segeln gekonnt durch die Luft. Jede Drohne würde bei dem Anblick grün vor Neid werden. Einige Möwen schwimmen auf den Wellen dicht vorm Strand und hopsen synchron über die brechenden Wellen. Das sieht lustig aus und erinnert an LaOla-Wellen im Stadion. Dann verkriechen wir uns unter Deck. Im Cockpit ist es heute zu ungemütlich. Die Gemütlichkeit im Salon ist auch mal schön.

Rødvig: Fischereifähnchen

Am nächsten Morgen prasseln Regentropfen auf unser Deck. Zwei kräftige Regenschauer ziehen durch und geben uns genügend Zeit unser Tagesziel zu planen. Durch den Bøgestrøm bis Vordinborg oder nach Klintholm. Wir waren noch nie auf Møn. Sind schon mehrmals dran vorbeigesegelt. Wir entscheiden uns nicht zuletzt wegen des Seegangs für Klintholm. Den Bøgestrøm wollen wir bei den Wellen gar nicht ausprobieren.

Klippen von Møn

Es wird eine ungemütliche Fahrt bis zu den Klippen von Møn. Die Wellenkämme verdecken teilweise den Horizont. Wir sind zwar recht seefest, aber anstrengend ist das Geschaukel trotzdem. Plötzlich ist der Wind alle. Direkt vor den Kreidefelsen. Wir werfen den Motor an. Die alte Dünung und die schlagenden Segel sind uns einfach zu viel. Henning moniert, dass das so nicht vorhergesagt wurde. 16kn bis in Spitzen 24kn sollten es eigentlich sein. Flaute war nicht vorgesehen. Dann kommt der Wind zurück. Janne flaxt noch, dass der Wind jetzt man nicht auf 30kn hochgehen soll. Da stehen auch schon 29,9kn auf dem Windmesser. Zum Glück sind wir inzwischen mit achterlichem Wind unterwegs. Nur unter Groß machen wir über 6kn Fahrt. Durchs Wasser. Und über Grund.

Klintholm: Natur pur

In Klintholm finden wir einen windgeschützten Liegeplatz. Es ist ziemlich leer. Wir sind unter der Woche unterwegs und die Feiertage sind in Norddeutschland vorbei. Überwiegend deutsche Boote liegen im Hafen. Für die nächsten Tage ist weiterhin eher mehr Wind angesagt. Zum Glück müssen wir nicht gegenan.

Lange Tage, kurze Nächte

In Skanör hat die Saison noch nicht richtig begonnen. Die Segelboote sind gekrant, aber teilweise mastlos. Auf dem Campingplatz am Hafen steht ein einsames Wohnmobil namens Ernie. Die Straßen sind leer. Immerhin ist der ICA gut ausgestattet und gut besucht. Wir stocken unser Proviant auf.
Skanör: Sonnenuntergang
Von Skanör geht es weiter Richtung Norden. Wir wollen nach Ven. Eine schwedische Insel direkt vor Kopenhagen. Wir waren 2015 schonmal da, aber bisher noch nicht auf eigenem Kiel. Die Strecke zieht sich. Es sind doch nochmal dreißig Seemeilen. Dazu kommt sehr unsteter Wind. Wir machen den Motor an und wieder aus. Das ganze wiederholt sich einige Male bis kurz vor Ven. Trotzdem fühlt sich die Überfahrt entspannt an und wir genießen den Tag auf dem Wasser.
Ven: Einer kommt immer noch
Der Hafen ist schon gut gefüllt, einen freien Dalben gibt es noch. Dabei sind wir gar nicht so spät dran. Aber es ist Freitagnachmittag und Ven ist bei den Kopenhagenern beliebt. Nach uns füllt sich langsam jeder freie Fleck im Hafen. Es bilden sich Päckchen und in jede noch so kleine Lücke quetscht sich ein Boot. Einige drehen ab und fahren zurück, einige geben auf und werfen vor dem Hafen den Anker und einige werden durchaus kreativ.
Ven: Abendlicht
Wir werden auch kreativ und probieren unser Sonnensegel aus. War bei der Asgard dabei, haben wir noch nie aufgespannt. Nach einigem hin und her ist es montiert. Die Sonne steht so tief, dass nur unser Kopf im Schatten ist. In der Kombination ist das ganze eher eine Fehlkonstruktion. Da der Wind eingeschlafen ist und die Sonne unbarmherzig vom Himmel brennt, sind wir trotzdem über das kleine bisschen Schatten froh. Es ist Mai und wir fühlen uns wie im Hochsommer in Kroatien. Mit dem Unterschied, dass die lange abendliche Dämmerung den Hafen mit einem ganz eigenen Licht verzaubert.
Ven: Sonnenuntergang im Meer
Der Wind ist launisch. Wir verholen uns mit 2kn Fahrt unter Segeln 12sm nach Flakfortet. Ab und an hilft der Motor mit. Die Dümpelei ist entspannend. Es ist fast gänzlich still an Bord. Der Autopilot surrt bei kleinen Kurskorrekturen, die Wellen plätschern. Ansonsten Stille. Die Ruhe vor dem Sturm. Am Horizont braut sich ein Gewitter zusammen. Kein Wunder bei der Hitze.
Flakfortet: Wechselhaftes Wetter
Wir sehen immer wieder Regenschwaden. Vor uns. Hinter uns. Neben uns. Irgendwie mogeln wir uns durch und kommen trocken im Hafen an. Kaum sind wir fest, fallen die ersten Tropfen auf das Deck. Punktlandung. Wir verkrümeln uns unter Deck. Die Erkundung der Museumsinsel verschieben wir auf später.
Flakfortet: Besuchergruppe im Gänsemarsch

Die Insel ist gut besucht. Viele Tagesgäste, teilweise auf eigenem Kiel, teilweise mit Fähren oder Speedbooten übergesetzt. Abends wird es langsam ruhiger. Dann stören nur noch die unzähligen Mücken den lauen Sommerabend.

Flakfortet: Sonnenuntergang in Pink
Das wir die Insel anlaufen können ist ein Glücksfall. Eigentlich wurde Flakfortet von den Behörden gesperrt. Unter anderem weil der Betreiber die Sanitärräume saniert hat und diese nicht mehr dem Originalzustand entsprechen. Aber Mitte Mai gab es dann doch eine vorübergehende Erlaubnis Flakfortet wieder für Segler zu öffnen.
Flakfortet: Der Zahn der Zeit
Wir sind inzwischen eine Woche unterwegs und genießen es auf dem Wasser zu sein. Den Wind in den Segeln zu spüren. Jeden Abend woanders anzulegen. Die ewig langen Tage. Es wird erst nach zehn dunkel. Wir bleiben lange auf. Genießen die lauen Abende draußen im Cockpit.

Und täglich grüßt der Ostwind

Wir wollen nach Osten. Der Gedanke an Bornholm lässt uns nicht so richtig los. Der Wind bläst uns entgegen. Wir nehmen es sportlich und los geht die Kreuz. Am Ende gewinnt der Wind, wir geben klein bei und werfen den Motor an. Der produziert ungewöhnlich viel weiß-grauen Qualm. Vorsichtshalber drehen wir kurzerhand Richtung Nothafen ab.
Frau am Steuer
Der Darßer Ort empfängt uns mit unzähligen Mücken. Die stechen. Unzählige Mücken hatten wir schon auf Fehmarn. Die blöden Viecher haben unseren frisch polierten Heckspiegel wie die Windschutzscheibe eines Autos aussehen lassen, dass mit hundertzwanzig Sachen durch einen riesigen Insektenschwarm gerast ist. Wir fühlen uns am Insektensterben schuldig. Können uns aber das Aussehen unseres Heckspiegels nicht erklären. Hundertzwanzig fährt Asgard nicht. Nicht mal ansatzweise. Und vor allem nicht rückwärts. Vielleicht sollten wir die alte Politur doch langsam mal entsorgen. Die scheint den Mücken nach nicht mehr ganz bekömmlich zu sein.
Darßer Ort: Nothafen
Bis auf die Mückenplage gefällt uns der Nothafen. Er erinnert uns an die kleinen einsamen Häfen der Nordostsee. Am liebsten würden wir länger bleiben. Aber es ist und bleibt ein Nothafen. Längere Aufenthalte sind nicht gestattet. Somit heißt es am nächsten Morgen auf nach Hiddensee. Ein weiterer weißer Fleck unserer persönlichen Ostsee-Segelkarte. Auf unserer Ostseeumsegelung sind wir zu Jannes großer Enttäuschung nur dran vorbeigesegelt. Diesmal wollen wir den verpassten Besuch nachholen.
Hiddensee am Horizont
Der Ostwind lässt sich nicht so richtig blicken und wir motoren die Strecke. Zwischendurch besuchen uns Schweinswale, die Sonne scheint und im Windschutz der Sprayhood ist es richtig warm. Obwohl nur wenig Wind bläst, ist er doch noch eiskalt.
Hiddensee: Wandertour zum Dornbusch
Für Hiddensee haben wir einen Hafentag eingeplant. Die drei Fahrradverleiher in Kloster überfordern uns. Am Ende bleiben die Räder stehen und wir gehen zu Fuß. Die Steilküste, der malerische Leuchtturm und die Steinstrände beeindrucken uns sehr. Abends im Cockpit bei Fish’n’Chips planen wir die nächsten Tage. Den Hafentag auf Hiddensee streichen wir und wägen stattdessen das Stettiner Haff gegen den Barther Bodden ab. Das Stettiner Haff gewinnt. Bornholm haben wir bereits auf den Sommerurlaub verschoben.
Blick über den flachen Teil der Insel Hiddense mit Rügen am Horizont
Hiddensee: Blick in die Ferne
Morgens pustet uns der Wind ins Gesicht. Wir gucken uns an, zücken die Karten und planen um. Klintholm oder Skanör müssten bei dem Wind machbar sein. Skanör ist fast zu weit, zumal wir nicht gerade früh aufgestanden sind. Andererseits bleibt es schon ziemlich lange hell. Wir segeln erstmal los. Aus dem Fahrwasser raus können wir Skanör bequem mit Halbwind, fast schon raumschots, anliegen. Die Asgard nimmt Fahrt auf und pest mit über sieben Knoten Richtung Skanör. Nach Klintholm können wir ja immer noch abfallen, denken wir uns. Am Ende schaffen wir die Strecke bis Skanör in unter zehn Stunden und kommen gegen halb acht dort an. Die schwedische Gastflagge flattert beim Einlaufen bereits unter der Saling und wir haben ein dickes Grinsen im Gesicht. Was für ein Hammertag. Absolut geniales Segeln. Ostwind kann richtig Spaß machen.
Rauschefahrt nach Schweden
Wir sind im Urlaub angekommen. So gut angekommen, dass Janne prompt den Geburtstag ihrer Patentante verpasst hat.

Wiedersehen auf dem Wasser

Auf Fehmarn angekommen klotzen wir richtig ran, machen die Asgard in Rekordzeit fit fürs Wasser, verproviantieren uns und ehe wir uns versehen, schwimmt sie auch schon. Janne flitzt direkt nach dem Verholen auf unseren Liegeplatz los und bringt das Auto zu ihren Eltern. Sie kommt mit dem letzten Zug nach Mitternacht in Burg an, am Bahnhof wartet schon das Leihrad und um ein Uhr nachts kriecht sie völlig platt in ihre Koje. Geschafft!

Frisch im Wasser
Wir sind noch nicht in Segellaune. Mental völlig gefangen im Stress der letzten Tage. An Törnplanung haben wir bisher überhaupt nicht gedacht. Bornholm, rund Rügen oder Stettiner Haff stehen als Optionen für den dreiwöchgen Sommerurlaub auf dem Plan. Aber warum warten bis Sommer? Wir haben ja plötzlich zwei Wochen Zeit. Eigentlich könnte man ja auch jetzt schon in die Richtung segeln. Mal gucken was sich ergibt. Bisher steht nur das Tagesziel für Pfingstsonntag fest. Treffen mit der Barbie in Kühlungsborn. Da waren wir bisher noch nicht. Und auf die Barbie mit ihrer netten Crew freuen wir uns auch immer.
Reger Verkehr unter der Fehmarnsundbrücke
Die Windvorhersage ist nicht auf unserer Seite. Ostwind mit leichten Nord-Südvariationen in unterschiedlicher Stärke ist für die nächste Zeit angesagt. Genau genommen sogar für den kompletten Törn. Wir planen um. Mal wieder. Verabreden uns mit der Barbie in Burgtiefe. Nur um zwei Stunden später auf dem Wasser festzustellen, dass wir Kühlungsborn doch hätten anliegen können. Hart am Wind, aber machbar. Da ist die Barbie bereits seit zwei Stunden unter Spinnaker Richtung Burgtiefe unterwegs. Wir segeln noch einen kleinen Schlenker durch die Lübecker Bucht und suchen uns dann gemütlich einen Liegeplatz.
Aufklaren nach dem Ablegen
Burgtiefe wird renoviert. Fast der ganze Hafenbereich ist aufgerissen. Nach dem Ankunfts-Aperol-Spritz im Cockpit der Barbie verholen wir uns an Bord der Asgard und feuern den Grill an. Man merkt, dass Pfingsten ist. Es sind doch viele Boote unterwegs.
Hart am Wind
Zunächst können wir Warnemünde bis auf 20° anliegen. Dann dreht der Wind in die richtige Richtung, es werden 10° und schließlich können wir sogar direkt drauf zu segeln. Sehr hart am Wind, aber es geht. Bis auf zwei Seemeilen kämpfen wir uns ran, dann müssen wir doch einen Holeschlag machen. Und mit einem Blick auf die Uhr entscheiden wir uns kurzerhand für Motorunterstützung. Im geschützten Hafen ist der Wind wie ausgeknipst. Es wird plötzlich richtig warm. Und wir versacken mit Felix und Chrissi bis weit nach Sonnenuntergang.
Hohe Düne: Promenade
Am nächsten Morgen frühstücken wir noch zusammen, dann legt Chrissi mit der Lupercalia einhand Richtung Werft ab. Felix verholt das Auto auf dem Landweg und wir machen uns auf den Weg in den Urlaub.

Am Ende kommt es doch immer anders als man denkt

Wir haben hin und her geplant. Diskutiert. Uns den Kopf zerbrochen. Optimiert. Ideen verworfen und neue Ideen generiert. Und am Ende kam es anders als gedacht. Ehe wir uns versehen, hat die Saison für uns begonnen.

Der Mai ist voller Feiertage. Und dieses Jahr liegen sie besonders günstig. Eigentlich hätte es sich angeboten fünf Wochen am Stück segeln zu gehen. Vom Tag der Arbeit bis Fronleichnam jede Woche einen Feiertag. Naja fast. Die Asgard Ende April zu kranen und Anfang Juni direkt wieder aus dem Wasser zu nehmen. Dann hätte sich das leidige Thema Sommerliegeplatz auch erledigt gehabt.

Aber dann wäre der Urlaub für dieses Jahr quasi aufgebraucht gewesen. Also doch lieber die Zeit aufteilen in einmal zwei und einmal drei Wochen? Zwei Wochen in die eine Richtung fahren, Asgard dort lassen und im Sommer dann drei Wochen lang gemütlich zurückgondeln? Oder einen Kurzliegeplatz für die Zeit zwischen Frühling- und Sommerurlaub? Und dann von Himmelfahrt bis Pfingsten zusammen mit der Barbie die dänische Inselwelt unsicher machen? Ab Pfingsten mit Felix die Regatta rund Skagen segeln? Klingt verlockend.

Hätte klappen können. Wäre entspannt gewesen. Hätte uns durchaus gereizt, schließlich sind wir noch nie eine Regatta gesegelt. Hätte – hätte – Fahrradkette…

Dann meldet sich Felix. Er muss nochmal in die Werft, die Regatta fällt damit ins Wasser. Wir planen um. Der Krantermin fällt auf Pfingstsamstag. Samstagmittag. Damit haben wir weniger als eine Woche bis zum Krantermin. Gepackt ist auch noch nichts und irgendwie geht es uns auf einmal viel zu schnell.

Zwei Wochen Frühlingssegeln, drei Wochen Sommersegelurlaub. Soweit der Plan. Mal gucken was dieses Jahr noch alles passiert.

Rückblick: Die Flitterwochen

Wir waren gespannt. Diese Saison waren wir bisher immer nur verlängerte Wochenenden segeln. Das war nett. Aber so richtig begeistert hat uns das nicht. Kein Vergleich zum letzten Jahr. Hat es sich wirklich gelohnt die Asgard zu behalten?

In unseren Flitterwochen hatten wir endlich Zeit Strecken machen zu können. Loszufahren, ohne sofort wieder an die Rückkehr denken zu müssen. Uns juckte es richtig in den Fingern. 3,5 Wochen Segelzeit hatten wir, nach 3 Wochen waren wir entspannt wieder zurück an unserem Dauerliegeplatz.

Und wir können im Nachhinein sagen: es war ein voller Erfolg. Die drei Wochen waren richtig toll. Das Wetter hat fast immer mitgespielt. Pünktlich zum Ablegen hat der Wind von Nord auf Süd gedreht. Der Strom hat uns kräftig angeschoben. Wir sind in einem unglaublichen Tempo in die westschwedischen Schären gesegelt. Wir mussten in den drei Wochen kaum kreuzen. Wir konnten unsere Ziele immer an den Wind anpassen. Immer wenn wir ein Windfenster brauchten, war eins in Sicht. Kann man eigentlich so viel Glück haben?

Braun gebrannt sind wir zurück gekehrt. Richtig erholt. Wir haben unsere halbe Woche Puffer nicht aufs Spiel gesetzt. Statt irgendwo weiter rumzutrödeln und am Ende bei Wind aus der falschen Richtung doch noch in Stress zu geraten, haben wir lieber den Segeltörn ein paar Tage früher, aber bei bestem Segelwetter, beendet.

Diese Form des Reisens hat uns ans letzte Jahr erinnert. Am Anfang waren wir ähnlich schnell unterwegs wie im Baltikum. Dadurch konnten wir die Zeit in den westschwedischen Schären genießen ohne in Rückfahrtstress zu geraten. Der Norden Dänemarks war dann landschaftlich wieder anders. Und am Ende hat die Zeit noch für einen Schlenker nach Kopenhagen gereicht. Somit war der Törn insgesamt wirklich abwechslungsreich.

Und es gab einige Parallelen zu letztem Jahr. Wieder war Bagenkop unser letzter Hafen in Dänemark. Wieder haben wir Hennings Geburtstag auf einer einsamen Insel verbracht. Und den Vorabend von Jannes Geburtstag in einer Hauptstadt. An Jannes Geburtstag waren wir wieder ankern. Und wieder war das Wetter im August sehr wechselhaft mit Starkwind. Ansonsten bleiben Erinnerungen an die vielen Schweinswalsichtungen, Regenbögen, Robben, Schärensegeln bei viel Wind und mit kaum Welle, Makrelen in der Abenddämmerung und an immer wieder vier Kugeln Eis zu zweit.

Würden wir etwas anders machen? Vielleicht in einem anderen Sommer. Anfang August war es in Schweden doch ganz schön voll an den Schären. Das Wetter war im August ähnlich wechselhaft wie letztes Jahr. Abseits der Hauptsaison unterwegs zu sein beschert einem doch einsamere Momente. Andererseits haben wir so Fredi und Hinnerk treffen können. Und die Flitterwochen waren direkt im Anschluss an unsere Hochzeit. Somit war es für diesen Sommer so und nicht anders genau richtig.

Und nächstes Jahr? Es gibt noch genügend weiße Flecken und Törnziele auf der Ostseelandkarte für uns.

Die Rückreise

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Die Asgard pflügt durch die Wellen

Es geht zurück. Langsam ruft das Urlaubsende. Beziehungsweise es ruft täglich lauter. Wir nehmen es als sportliche Herausforderung und planen von Kopenhagen in 3 Tagen zurück nach Kiel zu segeln. Wir haben allerdings noch weitere 3 Tage Puffer.

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Kopenhagen: Brückenöffnung

Also heißt es früh Aufstehen an Jannes dreißigstem Geburtstag. Die Fußgänger-Brücke vor Christianhavn versperrt uns den Weg. Wir nehmen die frühe Brückenöffnung um 7 Uhr um der Rushhour aus dem Weg zu gehen. Dabei sind wir nicht die einzigen, noch zwei weitere Boote sind bereits so früh unterwegs.

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Kopenhagen: morgendliche Ruhe

Außerdem wollen wir Strecke schaffen. Ziel ist es bis Vordinborg zu kommen. Bis dahin liegt ein langer Segeltag vor uns. Aber erstmal müssen wir aus den Kopenhagener Kanälen zurück in die Ostsee. Die Stadt schläft noch. Nur zwei Touristen leisten der Meerjungfrau Gesellschaft. Es ist alles ruhig.

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Kopenhagen: Meerjungfrau

Auf der Ostsee angekommen können wir Segel setzen. Über unsere Köpfe brettern Flugzeuge im Tiefflug hinweg. Landeanflug auf den Kopenhagener Flughafen. Wir sitzen im Cockpit, schlürfen unseren Kaffee und genießen den traumhaften Sonnenschein und die schöne Morgenstimmung.

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Kopenhagen: Flugzeug im Landeanflug

Der Tag verläuft zunächst recht unspektakulär. Zwischendurch schläft der Wind ein und wir motoren. Dann ereichen wir den Bøgestrøm. Ab da wird es plötzlich spannend. Das Fahrwasser ist nicht besonders tief, drum herum ist es noch viel flacher. Wir sind hochkonzentriert und unser Puls schnellt mehrmals in die Höhe. Dazu laufen wir fast zeitgleich mit vier weiteren Schiffen in das Fahrwasser ein. Die vier Schiffe sind alle hinter uns. Und teilweise schneller als wir. Zusätzlicher Nervenkitzel.

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Stau am Eingang vom Bøgestrøm

Kurz vor Vordinborg stehen wir dann vor der Wahl. Nach Vordinborg reinfahren oder noch einmal frei ankern? Wir entscheiden uns für frei ankern und genießen einen wunderschönen Geburtstagsabend schwojend am fest haltenden Anker. Der Ankerfluch scheint gebrochen.

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Vor Anker

Wir wollten uns mit Felix und der Lupercalia treffen. Eigentlich. Klintholm steht zur Diskussion. Aber Felix kommt nicht schnell genug voran. Wir müssten einen Tag auf ihn warten. Dann wäre aber das für uns perfekte Windfenster wieder zu. Einen Tag mit Südostwind haben wir um nach Bagenkop zu kommen, dann dreht der Wind auf West. Wir haben schon den ganzen Tag überlegt und diskutiert. Am Ende entscheiden wir uns für den Wind und gegen das Treffen mit Felix. Ein bisschen traurig sind wir schon, dass wir ihn verpassen.

Sonnenuntergang

Der Südostwind pustet uns am nächsten Tag durch das Smålandfahrwasser. Entspannt segeln wir mit Wind von schräg hinten nördlich von Falster und Lolland entlang. Dann kommt der Punkt an dem wir abbiegen. Plötzlich ist es ein Am-Wind-Kurs. Dazu brist der Wind auf. Wir verstehen unser Boot nicht mehr. Sie liegt unruhig im Wasser und kommt kaum voran. Wir reffen die Segel, bergen das Groß, rollen die Fock wieder ganz aus und geben irgendwann auf. Ein fiese kurze Welle bremst uns aus. Zudem kommt die Welle aus einer anderen Richtung als der Wind.

Schräglage

Das Mysterium klärt sich. Zeitweise haben wir bis zu 3kn Strom gegenan. Bei 5-6kn Fahrt durchs Wasser bleiben 2-3kn Fahrt über Grund. Eine eher langsame Geschwindigkeit. Henning findet den Kurs zudem irritierend. Er steuert mehr als 30° am Land vorbei. Der Strom bremst nicht nur, er versetzt uns auch ordentlich. Wir kämpfen. Und irgendwann haben wir es geschafft. Brauchen immer weniger vorhalten, kommen immer schneller voran. Wie schnell sich plötzlich 4-5kn anfühlen.

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Am Horizont die Wikinger

Unterwegs erreicht uns eine Nachricht von der Wetterfee. Gewitter über Norddeutschland, Zugrichtung von Hamburg über Kiel Richtung Dänemark. Empfehlung der Wetterfee: wir sollen zuschauen, dass wir bis 20 Uhr – spätestens bis 20:30 – im Hafen sind. Wir geben uns alle Mühe und laufen im T-Shirt und kurzer Hose mit den ersten Regentropfen um 20:45 in Bagenkop ein. Kaum sind wir fest, öffnet der Himmel seine Schleusen und es fängt an wie verrückt zu pladdern.

Segler mit Kurs auf den rettenden Hafen

Wir sind froh es geschafft zu haben. Kochen ein letztes Mal an Bord. Genießen die Gemütlichkeit unter Deck. Und sind ganz schön platt von dem langen Tag. Bereuen unsere Entscheidung weiterzufahren aber nicht. Gegenan wäre es deutlich anstrengender geworden. So war die lange Strecke schaffbar und hat trotz des Gegenstroms Spaß gemacht.

Gennakersegeln

Am nächsten Morgen hat der Wind gedreht. Auf West.Wir rauschen Richtung Kiel. Es ist wieder mal perfekter Segelwind. Wir holen nochmal den Gennaker raus, bevor wir drei Seemeilen vor Kiel verhungern. Wind alle. Motor an.

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Glückliche Skipperin

Wir tanken die Asgard noch in Laboe voll, bevor es die Kieler Förde hoch geht. Und dann ist es plötzlich vorbei. Nach exakt 3 Wochen machen wir wieder an unserem Dauerliegeplatz fest. Zurück aus den Flitterwochen. Schön wars. Wir räumen noch einen Großteil der Lebensmittel von Bord. Packen unsere Sachen. Und lassen die Asgard hinter uns. Die Flitterwochen sind achteraus.