Fotografieren an Bord

Fotografieren an Bord und auf See hat durchaus seine Tücken. Aber meistens besteht die Reise ja nicht nur aus Segeln sondern vor allem auch aus den Eindrücken rund um den Törn inklusive der Ausflüge an Land. Es ist also eine Mischung aus Landschafts- und Naturfotografie mit Städte- und Streetfotografie und sicher noch weiteren Elementen. Dabei vor allem mit dem Fokus auf Wasser.

Je teurer die Kamera, desto besser die Bilder? Dem stimmen wir nicht ansatzweise zu. Aktuelle Smartphones in den Händen eines guten Fotografen ergeben bessere Bilder als gute Spiegelreflexkameras in den Händen schlechter Fotografen. Warum? Weil derjenige, der die Kamera bedient, einen höheren Einfluss auf das Bildergebnis hat, als die Kamera an sich. Vorausgesetzt, die verwendete Kamera ist in der Lage technisch vernünftige Bilder zu machen. Die Ausstattung, die wir dabei hatten, haben wir in einem eigenen Artikel zur Fotografieausrüstung an Bord aufgelistet.

Die eigene Kamera im Detail zu kennen ist mit die wichtigste Voraussetzung für gelungene Bilder. Und wenn es nur die Kamera des Smartphones ist. Die aktuellen Modelle haben inzwischen eine Vielzahl an Einstellungsmöglichkeiten und hilfreiche Apps. Aber kennen bedeutet nicht nur wissen, welche Funktionen es gibt, sondern auch wie man diese anwendet und was sie bewirken. Janne gehört zu den Menschen, die tatsächlich Bedienungsanleitungen lesen. Da steht allerdings so viel drin, das verinnerlicht sie nicht alles auf Anhieb. Und somit heißt es ausprobieren, verstehen, sich mit der Kamera auseinandersetzen. Wie verschiebe ich den Fokuspunkt? Wo lässt sich der Selbstauslöser einstellen? Wie kann ich die Belichtungszeit verändern? Wie erhöhe oder verringere ich die Tiefenschärfe? Wie verstelle ich die Belichtungsmessung und was bewirkt das? Wie kann ich über- oder unterbelichten? Wie aktiviere ich den eingebauten Kamera-Blitz? Um nur ein paar gängige Beispiele zu nennen. Es gibt ein paar Funktionen und „Features“, die man gerne verwendet. Das ist durchaus von Fotograf zu Fotograf verschieden. Diese Funktionen merkt man sich sofort und nutzt sie ganz intuitiv. Situationsbedingt lernt man dann neue Funktionen dazu. Allerdings nur, wenn man weiß, dass man diese hat.

Die Kamera technisch zu beherrschen ist nur die halbe Miete. Wird das Motiv dann in den Bildern gekonnt in Szene gesetzt, hat man den anderen Teil. Es gibt so viele Optionen etwas zu fotografieren von nah und weit weg, viel und wenig Bildinhalt, farbliche Kontraste, bunt und monochrom, viel und wenig Unschärfe, lange und kurze Belichtung bis zu unterschiedlichsten Perspektiven und den verschiedensten Wettersituationen um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Fünfmal ein ähnliches Foto langweilt den Betrachter schnell, Abwechslung heißt das Zauberwort. Und das bedeutet nach Motiven Ausschau halten, „Out of the box“ denken, Muster sehen, auch mal ungewöhnliche Bilder machen und die Gelegenheit nutzen, wenn sie sich bietet.

Beim Motiv und Bildausschnitt an sich liegt somit der Knackpunkt. Mit Tipps wie „fotografisch sehen“ oder „eine Geschichte erzählen“ konnten wir weniger anfangen. Auch den Begriff Bildaufbau mag insbesondere Janne nicht besonders. Ein Hinweis, der Janne sehr geholfen hat, kommt vom bekannten Fotografen David duChemin und heißt „die richtigen Fragen stellen“. Fragen wie „Was macht das Segeln aus?“ und „Was ist das besondere unserer Auszeit gegenüber dem Alltag im Büro/zuhause?“ als auch „Welche Dinge verbinden wir mit dem Segeln?“ bis zu der Frage „Was macht diesen Ort, diese Region, diesen Moment aus?“ liegen unseren Bildern zu Grunde. Und die Antworten darauf lenken den Blick auf verschiedenste mögliche Motive.

Und es ist wie bei so vielen Dingen im Leben: Übung macht den Meister. Janne hat über 20.000 Bilder auf der Ostseeumsegelung gemacht. Entsprechend sieht man die Entwicklung über die Monate. Die Qualität der Bilder und eine höhere Trefferquote, also weniger Ausschuss oder mehr verwertbare Bilder, ist zum Ende der Reise immer mehr gestiegen. Und sie konnte ihre Kamera immer intuitiver bedienen. Viele Einstellungen hat sie am Ende „blind“, also ohne hinzugucken, eingestellt. Und bei manchen Fotos wie den beiden Elchen war es uns wichtiger das Foto zu haben, als es technisch und künstlerisch in Szene zu setzen. Da zählten Schnelligkeit, die griffbereite Kamera und die richtige Bedienung. Dazu noch ein wertvoller Tipp einer befreundeten Fotografin: nach dem Fotografieren immer wieder die Ausgangsstellung an der Kamera einstellen. Sonst fotografiert man die nächsten Fotos mit einer völlig ungeeigneten Verschlusszeit, Blende oder ISO-Einstellung.

Fotografieren auf See ist kein Hexenwerk. Es gibt ein paar Einschränkungen mit denen man umgehen muss, aber die kann man meistern. Wichtig ist, dass die eigenen Bilder einem selbst gefallen und man Spaß am Fotografieren hat. Gefallen sie einem nicht, ist die Krux herauszufinden woran das liegt und das zu ändern. Generell gilt in der Fotografie: Sogenannte „Stilregeln“ wie zum Beispiel die 2/3-Regel beziehungsweise der goldene Schnitt sind Hilfsmittel, die nicht immer funktionieren und die nicht angewendet werden müssen. Auch die hier genannten Tipps sind nur als Hilfestellung gedacht. Es wird sicher Situationen und Momente geben, wo sie nicht zutreffen.

Tallinn: gutes Motto

In Tallinn gab es ein schönes Motto: Save the camera, honey. Enjoy the view. Und da ist etwas wahres dran. Es gibt Momente, die sollte man einfach nur genießen. Entweder, weil sie als Bild eh nicht so wirken, wie man es sich vorstellt beziehungsweise erlebt hat. Oder weil man den Moment selbst gar nicht genießen kann, weil man zu sehr mit der Kamera beschäftigt ist.

Weiterführende Tipps und Tricks, Inspiration und Ideen findet man in der Literatur. Spezifische Fachbücher mit Bezug zur Fotografie auf See finden sich allerdings nur wenige. Janne hat sich 2013 ein deutsches* und ein englisches* Buch gekauft. Die beiden gab es damals schon nur noch gebraucht. 2019 ist ein Buch zum Thema* von Stephan Boden auch bekannt als Digger erschienen. Seinen Schreibstil mag nicht jeder, aber es sind einige gute Tipps mit Bezug zum Segeln enthalten. Wer sich schon mit diversen Fotografiebüchern und -tipps auseinander gesetzt hat, findet dort nur bedingt Neues. Für den noch nicht so versierten Fotografen sind jedoch gute Ideen enthalten. Allerdings findet Janne für diese Zielgruppe das vorausgesetzte Technikverständnis manchmal etwas zu ambitioniert. Gerade zu Beginn waren Begriffe wie Blendenzahl, Brennweite, Verschlusszeiten und Belichtung eher abstrakte Begriffe für sie. Das Verständnis kam erst mit der Zeit. Als rein bildliche Inspirationsquelle können wir die Ostseesegelbücher* vom Fotografen Christian Irrgang empfehlen. Es gibt keine Tipps zum Fotografieren in diesen Erfahrungsberichten, aber dafür viele schöne Bilder. Bei Christian sieht man einfach, dass er sein Handwerk versteht. Nicht umsonst ist er für seine Bildberichterstattungen der deutschen Bundespräsidenten bekannt. Und wer rein digitales Augenfutter haben möchte, findet dies zum Beispiel bei boat-bus-barefoot in der Kategorie „boat“.

Und was macht man mit den ganzen tollen Fotos am Ende der Reise? Nur ein Bruchteil wird auf dem Blog verwendet. Wir haben für uns noch ein ausführlicheres Fotoalbum erstellt. Ansonsten gab es je eine Fotogalerie auf dem Handy mit den 100 eindrücklichsten Bildern und eine weitere mit Minimalumfang für eben mal schnell gucken, wie denn die Ostseeumsegelung so war. Und der Rest? Wartet darauf, dass sich Janne davon trennen kann und ihn endlich löscht.

*Hinweis: Mit der Umstellung auf eine eigene Domain haben wir unsere Reiseberichte endlich werbefrei bekommen. Die hier aufgeführten Links sind jedoch teilweise Amazon Affiliate Links. Das bedeutet, dass wir im Fall eines Kaufs über den Link eine kleine Provision bekommen, der Kaufpreis bleibt für den Käufer selbstverständlich unverändert. Dass wir nur die Produkte empfehlen, die wir auch wirklich gut finden, ist ebenfalls selbstverständlich.