Ostwind

Anker auf bei Sonnenaufgang. Wir sind zu Frühseglern geworden. Die kleine Krabbe schläft meist noch einige Stunden weiter. Und wir nutzen die Zeit um Strecke zu machen. Aber nicht nur wir sind früh wach. Die Fahrwasser in Richtung offene Ostsee sind gesäumt mit Anglern. Der frühe Wurm fängt den Fisch. Oder so ähnlich.

Morgenflaute
Morgenflaute

Es ist kaum Wind und die See vor Hiddensee ist ungewöhnlich ruhig. Sobald wir aus dem Fahrwasser raus sind, segeln wir mit minimaler Fahrt. Die kleine Krabbe beobachtet fasziniert das Wasser und die winzigen Wellen, die wir erzeugen. Vor dem Westufer von Hiddensee sehen wir unzählige Segelboote vor Anker. Selten genug ist die See so ruhig, dass man dort ankern kann. Das muss ein ganz besonderes Gefühl sein.

wenig Welle vor Hiddensee
wenig Welle vor Hiddensee

Langsam kommt mehr Wind auf und schiebt uns Richtung Westen. Aber gut voran kommen wir nicht. Dazu geht es dem Skipper nicht gut. Wir entscheiden uns kurzerhand für die sichere Alternative und laufen den Nothafen Darßer Ort an. Als der Skipper sich wieder etwas erholt hat, wandern wir zum Leuchtturm. Sehen eine Bache mit Frischlingen. Die kleine Krabbe krabbelt in der Ostsee herum. Und wir werden ordentlich zerstochen. Die vielen Mücken treiben uns am Abend unter Deck.

Nationalpark-Wanderung
Nationalpark-Wanderung

Am nächsten Tag legen wir wieder vor Sonnenaufgang ab. Wir wollen richtig Strecke machen. Den Ostwind ausnutzen. Liebäugeln mit Bagenkop, aber fassen als Ziel vorerst Gedser ins Auge. Es läuft zunächst sehr gut. Dann dümpeln wir mit zweieinhalb Knoten Fahrt im Verkehrstrennungsgebiet herum und entscheiden uns den Motor anzuwerfen. Janne dreht den Schlüssel. Nichts passiert. Henning geht auf Fehlersuche. Die Batterie ist es nicht, Spannung passt und fällt auch im Startvorgang nicht wesentlich ab. Die Relais schalten. Auch Überbrücken hilft nichts. Der Anlasser rührt sich nicht. Wir versuchen es mit Handkurbelunterstützung und Dekompressionshebelbetätigung. Beim zigsten Versuch springt er an. Und geht direkt wieder aus. Hat kein Gas angenommen.

Leuchtturm Darßer Ort
Leuchtturm Darßer Ort

Wir gucken uns nochmal alles genau an. Und stellen fest, dass wir den Dekompressionshebel falsch bedient haben. Wir bekommen noch einen zweiten Versuch. Der Motor springt an. Und bleibt an. Wir überlegen und drehen ab nach Fehmarn. Der Wind brist langsam auf. Und wir motoren bei bestem Segelwind bis nach Fehmarn. Kurz vor dem Einlaufen in das Fahrwasser nach Burgstaaken und Burgtiefe sehen wir ein Segelboot im Wasser. Es schaukelt sanft in den Wellen. Die Segel sind eingeholt. Der Motor aus. Der Anker ist an Bord. Und eine Boje ist nirgendwo zu sehen. Wir drehen bei und fragen nach. Motorprobleme. Springt nicht an. Ob wir sie nach Burgtiefe schleppen können.

Sand Strand Sonne Meer
Sand Strand Sonne Meer

Klar können wir. Wir nehmen die Schleppleine im Wellengeschaukel an, belegen die Heckklampe und schleppen langsam an. Wir sind gerade an der ersten Fahrwassertonne als uns noch eine Segelyacht unbedingt überholen muss. Wir sind den beiden alten Seglern zu langsam und die Schleppleine ist ihnen egal. Wir sind fassungslos wie rüpelhaft manche Segler sind. Es ist Sonntagabend und sie wollen anscheinend nur in ihre Box. Das Boot schert knapp einen Meter vor unserem Bug ins Fahrwasser ein. Alle anderen Boote halten Abstand und reihen sich säuberlich hinter uns ein. Wir liefern die Yacht im Hafen am gewünschten Liegeplatz in Burgtiefe ab. Die Nachbarn warten schon und helfen tatkräftig mit. Wir sortieren unsere Leinen und dampfen ab in Richtung Burgstaaken. Von dort sind die Wege kürzer zu den Bootsmotorenwerkstätten.

Wanderweg Darßer Ort
Wanderweg Darßer Ort

Wir legen an und machen den Motor aus. Sind platt vom Tag. Das Abendessen fällt schnell und einfach aus. Nudeln mit Tomatensoße. Danach hüpfen wir nacheinander unter die Dusche. Als Janne mit der kleinen Krabbe wieder zurück kommt, hängt Henning im Motorraum. Wir versuchen mehrfach den Motor zu starten. Es klappt. Sporadisch brauchen wir mehr als einen Versuch bis er läuft. Aber er springt immer wieder an. Wir fühlen uns etwas veräppelt. Hätten wir bei dem Traumwind doch segeln können?

Darßer Ort: Da war unsere kleine Segelwelt noch in Ordnung
Darßer Ort: Da war unsere kleine Segelwelt noch in Ordnung

Sicherheitshalber gucken wir am nächsten Tag noch bei einem Bootsmotorentechniker vorbei. Beschreiben ihm unser Problem. Aber jetzt springt der Motor wieder an, will er wissen. Ja, sporadisch, sagen wir. So richtig helfen kann er uns nicht, zuckt mit den Achseln und wir sind uns einig, den Motor, insbesondere den Anlasser, im Winterlager prüfen zu lassen. Zurück an Bord überlegen wir. Wir haben noch genau eine Woche. Weiterfahren, auch wenn der Motor nicht jedesmal sofort anspringt oder eine Woche auf Fehmarn rumdümpeln ohne zu wissen, was genau das Problem ist.

Darßer Ort: Mückenparadies
Darßer Ort: Mückenparadies

Wir haben Ostwind, der Schwell steht im Hafen. Die Asgard tanzt an den Leinen und die Wellen plätschern am Heck. Wir entscheiden, springt der Motor an, dann fahren wir weiter. Springt er nicht an bleiben wir. Er springt an und wir nehmen Kurs auf Kiel. Der Ostwind schiebt uns unter der Fehmarnsundbrücke hindurch. Die Schießgebiete Putlos und Todendorf sind aktiv, wir müssen außen rum und nehmen Kurs entlang der Sperrgebietstonnen. Irgendwann ist der Wind alle. Wir entscheiden den Motor anzuwerfen. Der Anlasser dreht los. Und durch. Es rasselt furchtbar und der Motor dreht sich nicht ein Stück.

Inselsegeln

Bisher sind wir nur von Insel zu Insel getingelt. Fehmarn, Falster, Hiddensee, Rügen, Bornholm, Christiansø. Und so geht es weiter. Wir nehmen Kurs auf Rügen. Legen kurz vor Sonnenaufgang in Hammer Havn ab. Die Sonnen schiebt sich hinter Bornholm in den Himmel. Und die Schlossruine wirkt wie in einer Feuerbrunst.

Hammerhus Slottsruin in der aufgehenden Sonne
Hammerhus Slottsruin in der aufgehenden Sonne

Unser Ziel ist Lohme. Von Hammer Havn nach Lohme sind nochmal ein paar Meilen mehr als von Sassnitz nach Rønne. Aber die kleine Krabbe hat inzwischen Seebeine und wir trauen uns den langen Schlag zu. Wir sind extra früh los, auch wenn wir die ersten Meilen in der Morgenflaute motoren müssen. Dann kommt der Wind. Und wir segeln. Der Wind brist immer mehr auf. Die Asgard läuft mit Rumpfgeschwindigkeit Richtung Rügen. Und im Wellensurf auch noch schneller. Der lange Schlag vergeht wie im Fluge. Wir legen am Nachmittag in Lohme an. Es steht ordentlich Welle in der Bucht und wir sind froh als wir sicher im Hafen liegen.

Lohme: halbe Treppenstrecke geschafft
Lohme: halbe Treppenstrecke geschafft

Die kleine Krabbe freut sich auch schon auf den Landgang. Wir erklimmen die vielen Stufen vom Hafen hoch in die Ortschaft. Gönnen uns einen kleinen Rundgang und ein Fischbrötchen. Und schlendern über die lange Rampe wieder zurück zum Hafen. Lohme strahlt den Charme eines kleinen Ferienortes aus. Etwas leer ohne Gäste, aber niedlich. Der Hafenmeister hat inzwischen geöffnet und empfängt uns sehr freundlich. Er bietet sogar einen Brötchenservice an. Wir genießen die wunderschöne Abendstimmung im Hafen während die Wellen weiterhin unermüdlich gegen die Mole branden.

Lohme: Hafen im Sonnenuntergang
Lohme: Hafen im Sonnenuntergang

Wir wollen die Boddengewässer rund um Rügen weiter erkunden. Nehmen Kurs auf Kap Arkona und lassen uns mit ausgebaumten Vorsegel nach Hiddensee schieben. Biegen links Richtung Wiek ab statt nach rechts Richtung Kloster und Vitte. Ist das jetzt eine Rügenumrundung oder nicht? Wir entscheiden uns dafür, auch wenn die Umrundung durch den Bornholmbesuch etwas unterbrochen war. Quasi eine Rügen-Bornholm-Acht.

Kap Arkona
Kap Arkona

Wir werfen den Anker im Breeger Bodden. Luftlinie sind wir nur wenige Seemeilen von Lohme entfernt. Auf der Logge stehen deutlich mehr Tagesmeilen. Neben uns liegt ein kleines Motorboot. Die bleiben bestimmt nicht über Nacht. Bei einem Glas Wein grübeln wir über die weitere Törnplanung. Sollen wir noch in Richtung Saaler Bodden? Kommen wir mit unserem Tiefgang überhaupt so weit? Oder sollen wir doch lieber Kurs auf die dänische Südsee nehmen und uns dort mit der Barbie und Crew treffen? Wir sind unentschlossen. Die Zeit reicht noch. Aber das Ostwindfenster schließt sich langsam wieder. Wir entscheiden uns schlussendlich für einen Kompromiss. Einen Tag gönnen wir uns noch in den Boddengewässern. Und dann nehmen wir den letzten Ostwind mit und lassen uns möglichst weit nach Westen schieben. So der Plan.

Geburtstags-Scones
Geburtstags-Scones

Die Skipperin hat Geburtstag. Wir lassen den Tag ruhig angehen. Frühstücken gemütlich. Alle Boote um uns herum haben längst den Anker gehoben. Alle Boote? Nein, ein unbeugsames, kleines Motorboot direkt neben uns hört nicht auf der Aufbruchstimmung Widerstand zu leisten und liegt immer noch vor Anker als wir unseren einholen. Soviel dazu, dass die bestimmt nicht über Nacht bleiben. Wir segeln bei wenig Wind mit ein bis zwei Knoten Fahrt in den großen Jasmunder Bodden. Entscheiden uns für eine Ankerplatz vor der Steilküste. Gehen trotz der vielen Quallen eine Runde ums Boot schwimmen. Und genießen einfach den Tag. Die Schiffe neben uns wechseln mehrfach durch. Es scheint ein beliebter Ankerspot zu sein. Um zu Baden. Angeln. SUP-Board fahren. An Land zu paddeln. Wir haben Glück. Durch die Windrichtung hören wir wenig von der Straße über den Damm zum kleinen Jasmunder Bodden.

Großer Jasmunder Bodden
Großer Jasmunder Bodden

Wir genießen den gemütlichen Tag ausgiebig. Tanken Kraft für die langen Strecken Richtung Westen. Noch sind wir nicht auf dem Rückweg. Noch nicht. Wir verdrängen die Gedanken, dass das Ende unserer Elternzeit langsam aber unaufhörlich näher rückt. Und leben ganz im Augenblick.

Mit der Nase im Wind

Ein Hafentag reicht. Weiter geht’s, auch wenn doch noch ganz gut Wind weht. Wir sind im Nachhinein froh uns für Hiddensee und gegen Klintholm entschieden zu haben. Sonst wären es zwei Hafentage geworden. Aber in den geschützten Boddengewässern mit wenig Welle trauen wir uns trotz des vielen Winds aus dem Hafen.

Segeln durch die Boddengewässser

Wir nehmen Kurs auf Stralsund. Nur unter Genua geht es durch die engen Fahrwasser. Teilweise ganz schön hart am Wind. Janne muss ordentlich vorhalten. Dazu kommen die Fähren, die Hiddensee mit Schaprode verbinden. Und gefühlt mindestens so breit wie das Fahrwasser sind. Konzentriert geht es bis Stralsund. Dann ist erst mal Ende im Gelände. Wir passen nicht unter der Brücke durch. Und die öffnet nur etwa alle drei Stunden. Die letzte Öffnung haben wir um zwei Stunden verpasst. Bis zur nächsten ist es noch etwa eine Stunde. Kurzerhand machen wir an den bereitgestellten Dalben fest und nutzen die Zwangspause die kleine Krabbe zu unterhalten.

Warten vor Stralsund

Die Zeit vergeht wie im Flug. Weit ist es nicht mehr bis zu unserem Tagesziel. Auch wenn wir gerne Bornholm erreichen würden, haben wir uns entschieden es lieber ruhig angehen zu lassen. Bornholm kann warten. Wir wollen nichts übers Knie brechen. Und suchen uns daher für den Tag einen gemütlichen Ankerplatz. Das bleibt unser Programm für die nächsten Tage. Kurze Schläge und den Tag vor Anker genießen. Entspannen. Abschalten. Einfach mal nichts tun. Mit der Krabbe Bücher lesen, Holzautos durch die Gegend schieben und Kuscheltiertheater spielen. Immer schön mit der Nase im Wind. Das Wetter spielt mit und beschert uns ordentlich Sonnenschein. Und so verholen wir uns von einem traumhaften Ankerplatz zum nächsten. Wir genießen und kommen so richtig an Bord und in der Elternzeit an. Die kleine Krabbe erkundet erst das Cockpit und dann das restliche Deck.

Sonnenaufgang vor Vilm

Der Skipper hat Geburtstag. Und dieses Jahr gibt es zum ersten Mal einen Geburtstagskuchen aus der Bordbackstube. Bisher haben wir den Gasofen nur zum Brötchen aufbacken verwendet gehabt. Dementsprechend spannend ist das Backexperiment. Dazu kommt, dass die Einheiten von Gramm in Esslöffel umgerechnet werden müssen. Messbecher oder Waage haben wir nicht an Bord. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Skipper ist zufrieden. Und so gibt es früh morgens Kuchen zum ersten Frühstück.

Segeln in die Morgensonne

Früh morgens deshalb, weil uns der Ankeralarm aus dem Bett geworfen hat. Der Wind hat wie angesagt gedreht und wir liegen plötzlich recht unruhig in der offenen Bucht. Aber wer steht an seinem Geburtstag nicht gerne um 5 Uhr auf, genießt den Sonnenaufgang und segelt dann gemütlich in der Morgenbrise mit knapp drei Knoten Fahrt zum neuen Ankerplatz? Das Segeln ist so schön, dass wir kurz überlegen weiterzusegeln. Dann werfen wir aber doch den Anker und genießen ein ausgiebiges Geburtstagsfrühstück.

vor Anker im Cockpit
Abendstimmung im Cockpit

Es ist der vorerst letzte Tag vor Anker. Das Wetter soll kippen. Ankern im Regen macht weniger Spaß als ankern bei Sonnenschein. Die Batterien rufen nach Landstrom oder ein bisschen Zeit unter Motor. Uns juckt es inzwischen doch wieder in den Fingern nach Bornholm zu kommen. Und so heißt es erstmal nur noch einmal Anker auf statt Leinen los.

Sassnitz Hafen
Sassnitz: Abendstimmung im Hafen

Wir verholen uns nach Sassnitz. Der Tag ist grau, regnerisch und wir wechseln immer wieder zwischen Segeln und Motoren. Pünktlich zum Anleger verzieht sich auch das graue Wetter. Noch ziemlich nass kommen wir im Hafen an, finden eine passende Box und liegen mit der Nase im Wind.